Die Gefährdete Nutztierrasse des Jahres 2008Foto: Beate Milerski
Die Bronzepute  "Vermächtnis der Indianer"

Jürgen Güntherschulze


 

Historisches 

Die ursprüngliche Heimat der Truthühner (bei uns heute als Puten bezeichnet) ist Nord- und Mittelamerika. Die bronzefarbenen Puten ähneln der Wildform am meisten. Als die Europäer den neuen Kontinent eroberten, fanden sie schon ganze Trupps domestizierter Putenherden vor. Demnach hat die Haustierwerdung des Truthahns schon vor der Zeit des Kolumbus begonnen. Aufgrund archäologischer Funde kann man davon ausgehen, dass um 500 v. Chr. die Domestikation eingesetzt hatte. Für die Prärie-Indianerstämme war zunächst nur die Wildpute neben dem Bison die Hauptbeute zur Ernährung. Aber den  bereits seßhaften Pueblo-Stämmen im Süden der USA und in Mexiko ist die Domestikation zu verdanken. Die Ursprungsform des Truthahns  ist die Wildpute (Meleagris gallopavo) mit 7 Unterarten, deren Verbreitung von der kanadisch-amerikanischen Grenzregion im Norden bis nach Mexiko im Süden reicht. Das Mexikanische Truthuhn (Meleagris gallopavo gallopavo) dürfte der Hauptahne sein. Von den restlichen 6 Unterarten (Östliches Truthuhn, Rio-Grande-Truthuhn, Meriam-Truthuhn, Florida-Truthuhn, Sierra-Madre-Truthuhn und Gould-Truthuhn) hat hauptsächlich das Östliche Truthuhn  noch Eingang in die Putenzucht gefunden.

Neben Fleisch fertigten die Indianer aus Putenknochen Werkzeuge, aus den Federn Kleidung und Kopfschmuck  (das "Radschlagen" des balzenden Puters findet man wieder im Häuptlings-Kopfschmuck der Prärie-Indianer). Schon 1520 brachten spanische Seefahrer die ersten "Indischen Hühner" mit in Ihre Heimat. 1524 gelangten Puten nach England, 1533 dann nach Deutschland . Und immer waren es bronzefarbene Puten. Um 1570 züchtete man die Pute planmäßig in Deutschland. Handeltreibende Europäer brachten zudem auch wieder aus Putenzuchten Tiere zurück in die Neue Welt, die dort dann Eingang in die dortigen Zuchten fanden. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts gab es am Niederrhein und in Holland schon ganze Herden von Puten. Bald löste die Pute den bis dahin gehaltenen Blauen Pfau (Pavo christatus) als Feinschmeckerbraten ab. Heute ist die Pute weltweit verbreitet und wird vor allem in Nordamerika und in den Donauländern in großen Herden gezüchtet. Die Zucht der Bronzeputen in Deutschland wurde nachhaltig durch die Beschaffung eines englischen Puters  im Jahr 1909 bestimmt. Bronzeputen sind heute selten geworden, werden aber immer noch bei Hobbyzüchtern und Landwirten gehalten.

Im Jahr 1997 wurden nur noch 334 Zuchttiere in 55 Beständen gezählt. Heute liegt der Zuchtbestand an Bronzeputen bei 800 Tieren in rund 160 Zuchten. Die Erhebungsdaten stützen sich auf den Abgleich der Informationen durch die GEH-Putenhalter-Listen mit den veröffentlichten Zählungs-Angaben des BDRG und seines "Sondervereins der Deutschen Puten- und Perlhuhnzüchter"  (www.sv-puten-perlhuhn.de/ puten_schwer.htm). Da die Bronzepute  zu den alten traditionellen Wirtschaftsgeflügelrassen gehört, deren Bestände in extensiven Freilauf-Haltungssystemen gering sind und auch noch  stark durch die jetzige Ausbreitung der Geflügelpest und den daraus resultierenden Haltungsbeschränkungen bedroht sind, wird sie von der GEH betreut und ihre heutige Erhaltungszucht durch  einen Rassekoordinator begleitet.

  

Biologische Eckdaten der Bronzepute

 Die Grundfarbe des Gefieders ist schwarz mit starkem Bronzeglanz, in allen Regenbogenfarben schillernd. Die Bronzepute besitzt einen langgestreckten , gut bemuskelten kräftigen Rumpf . Der  Kopf ist unbefiedert mit abwechselnd blauer, weißer und roter Haut sowie  dicht besetzt mit roten Fleischwarzen, die sich je nach Erregung des Tieres bis violett verfärben können. Das Gewicht des Hahnes beträgt 12 - 15 kg und das der Henne 6 - 8 kg. Der Hahn trägt einen kräftigeren haarähnlichen Federbüschel an der Brust. Die Bronzepute ist eine gute Mastpute mit zartem Fleisch. Eine Henne legt pro Jahr 20-50 Eier mit einem Eigewicht von 70 g. Die Schalenfarbe der Eier ist gelbbräunlich mit dunkelbraunen  Punkten, Brutdauer 27-28 Tage. Die natürliche Brut beginnt bei uns etwa Anfang April. Bei der Aufzucht muss man das schnelle Wachstum berücksichtigen und für ausreichend Vitamine, Eiweiße und Mineralstoffe sorgen. Die Puten gelten als beste und zuverlässigste Brüterinnen und brüten auch die Eier anderer Geflügelarten aus.

 

Besonderheiten

Puten sind wie Hühner sogenannte Scharrvögel. Sie sind Steppenvögel, laufen schnell und ausdauernd. Auch die Bronzepute flüchtet noch gerne zu Fuß und fliegt bei Annäherung erst im letzten Augenblick auf. Zum Ruhen fliegen sie gerne auf Bäume. Puten sind weitsichtig, im Nahbereich haben sie jedoch Orientierungsschwierigkeiten und finden ausgestreutes Futter nur durch Zufall. Ihre starren Verhaltensmuster sorgen dafür, dass sie sich leicht in Panik versetzen lassen und kopflos flüchten. Ein einmal ausgelöstes Verhaltensmuster, als eine angeborene Reaktion auf einen äußeren Reiz, läuft bis zum Ende ab. Die Möglichkeit, auf "ein anderes Programm umzuschalten", haben Puten nicht. Ein typisches Beispiel ist das Verhalten einer brütenden domestizierten Pute. Wenn die Pute erst mit dem Brutgeschäft begonnen hat, so brütet sie weiter (wenn keine Küken schlüpfen), bis sie verhungert. Der Mensch muss sie daher täglich vom Nest nehmen, damit sie außerhalb des Nestes Futter und Wasser aufnimmt und kotet, indem auch die Eier kurz abkühlen können. Etwas besonders Eigenartiges ist die Tatsache, dass Puten, die ohne Puter gehalten werden, gelegentlich Eier legen, aus denen Küken schlüpfen (Partenogenese).

 

Ernährung

Lässt man Puten frei weiden, so ernähren sie sich überwiegend von Früchten , Gräsern und Blättern, aber auch von Insekten, Schnecken und anderen Kleinsttieren. Daneben brauchen sie Sand als Unterstützung des Magens zur Zerkleinerung der Nahrung. Körnerfutter bei Stall- oder Volierenhaltung allein ist zu wenig, um dauerhaft diese omnivoren Tiere so zu ernähren. Puten haben die Eigenart, bei unbeschränktem Auslauf sehr weit umherzustreifen und sich dabei viel Futter selbst zu suchen. Dies kann den Bronzeputen heute jedoch nur selten geboten werden. Meist steht auch nur ein begrenzter Auslauf zur Verfügung. Grünauslauf ist in jedem Fall für Putenhaltung zu empfehlen.

 

Stallhaltung

Ausgewachsene Puten stellen an den Stall keine besonderen Ansprüche. Es genügt bereits ein einfacher Bretterstall. Der Stall wird ähnlich eingerichtet wie bei Hühnern, jedoch müssen die Sitzstangen kräftiger sein (10 cm) und einen größeren Abstand (80 cm) untereinander und zur Rückwand haben. Wichtig: Sitzstangen in gleicher Höhe. Puten benötigen etwa 40-50 cm Sitzfläche. Puten sind sehr kälteresistent, Zugluft muss aber vermieden werden. Fenster müssen möglichst groß sein und im Sommer durch Drahtgitter ersetzt werden, da eine gute Be- und Entlüftung des Stalls nötig ist. Die Auslaufklappe wird mit ca. 60x60 cm bemessen. Natürlich muss der Stallboden gut mit sauberer, trockener Einstreu (ca. 10 cm hoch) aufgeschüttet werden und sollte einen festen, leicht zu reinigenden Untergrund haben. Nässe im Auslauf ist den Puten nicht zuträglich. Auf die einwandfreie Entwässerung der Auslauffläche ist größter Wert zu legen.

 

Auslauf

Mindestens 2 m hoch wird der Auslauf eingezäunt. Niedrige Büsche als Umrandung sind sehr nützlich, um kalte Bodenwinde von den Tieren abzuhalten, auf die sie sehr empfindlich reagieren. Größere Büsche und Bäume als Schattenspender und zum Aufbaumen sind ebenfalls wichtig. Da Puten sehr gerne im Freien legen, sollte man ein paar wetterfeste Legenester unter den Büschen aufstellen, damit die Puten ihre Eier nicht irgendwo unauffindbar in Brennesselecken oder einzeln und verschmutzt im Auslauf verteilen. Futtergeräte und Tränken sollten immer an der gleichen Stelle bleiben, da Puten große Schwierigkeiten haben, sich auf Veränderungen einzustellen. Eine überdachte Sandkiste für das Staubbad gehört in eine schattige Ecke. Mindestens 350 m² Auslauf werden pro Zuchtpaar gerechnet, wenn von 10 Jungtieren zur Zucht ausgegangen wird. Pro Tier sollten etwa 30-50 m² zur Verfügung stehen.

 

Zucht

Einem Truthahn lässt man je nach Gewicht  8 bis maximal 15 Hennen. Ältere Puter sollen weniger Hennen in ihrer Herde haben. Der beste Brutzeitpunkt liegt zwischen Ende März und Anfang April. Die Brutzeit beträgt 28 Tage. Man kann eine Pute auch zur Brut zwingen, indem man sie auf ein Nest mit angewärmten Gipseiern setzt, ihr einen großen Korb überstülpt und sie einmal am Tage daraus entlässt. Nach spätestens 3 Tagen fängt die Pute dann an zu glucken. Ich selber halte diese Methode aber für fragwürdig und nicht nötig. Das Futter darf auf keinen Fall vom Nest aus erreichbar sein, da sie sonst nicht aufsteht und die Eier verkotet. Durch Piepen im Ei kurz vor dem Schlupf verhindert das schlüpfende Küken, dass es totgepickt wird. Die Putenküken sind 72 Stunden lang sehr stark auf das prägbar, was ihnen beim Schlupf zuerst begegnet, also in der Regel die Pute. Die Küken müssen unbedingt schon am ersten Tag nach dem Schlupf gefüttert werden, da sonst eine Wachstumsverzögerung in den ersten 4-6 Wochen eintritt. Da die Putenglucken nicht darauf achten, wie viele Küken sich unter ihre Flügel schieben, muss man mehrere gleichzeitig Küken-führende Puten immer getrennt voneinander halten. Feuchte Einstreu, zu wenig Wärme, muffige Luft und wenig Tageslicht führen schnell zur gefürchteten, verlustreichen Schwarzkopfkrankheit. Vor Regen und kaltem Wetter müssen die Küken bis zur 8. Lebenswoche geschützt werden, bis sich das Gefieder über dem Rücken geschlossen hat.

 

Zuchtziele

Während sich die Haltung von Mastputen als Alternative zu den traditionellen fleischliefernden Haustierrassen immer mehr ausbreitet und bei dem hohen Bedarf an Putenfleisch in Deutschland zu immer mehr industriellen Massen-Tierhaltungsbetrieben führt, befindet sich die extensive ländliche Putenhaltung auf dem Rückzug. Dennoch wird die Schar derjenigen Personen, die eine extensive Haltung von Puten - auch unserer traditionellen Bronzepute - als ein Symbol für eine umweltverträglichere Tier-Mensch-Beziehung sehen, wieder größer. Gewünscht werden heute verstärkt Bronzeputen aus Freilandhaltung mit hoher Vitalität, geringer Krankheitsanfälligkeit, Wetterfestigkeit, guter Beweglichkeit (auch flugfähig) , hoher Fleischqualität, Anspruchslosigkeit sowie guter Mütterlichkeit. Die Bronzepute erfüllt diese Kriterien, wenn sie weiterhin in extensiver, traditioneller Haltung gezüchtet wird. Ziel sollte künftig die immer besser funktionierende Koordination von Züchtern sein, die sich diesen Eigenschaften der Bronzepute verpflichtet fühlen. In diesem Sinne werden die GEH und der Sonderverein des BDRG gemeinsam in Berlin auf der Grünen Woche vom 18.-27. Januar die gefährdete Rasse des Jahres 2008, die Bronzepute, präsentieren.

 


Literatur: Güntherschulze, J. (2005): Erhaltung alter Deutscher Putenrassen; Faltblatt für die GEH
Verlag Oertel und Spörer(1991): Der große Geflügelstandard in Farbe, Band 1, 4.Auflage
Stern, A. (1991): Geflügel artgerecht halten, Kosmos Verlag
Baumeister, M. (1985): Geflügelhaltung als Hobby, Falken Verlag
BDRG/GEH (2006): Gemeinsame Liste alter, heimischer und gefährdeter Geflügelrassen des BDRG und der GEH
Kohlschütter,N, S.Zarin, G.Bellof, E.Schmidt, C.Werner,D.Mörlein, H.Pahl und U.Köpke (2007): Möglichleiten der on-Farm Erhaltung und Nischenvermarktung vom Aussterben bedrohter Nutztierrassen am Beispiel Diephozer Gans und Bronzepute alten Schlags.
Güthe, M. / Pro Vieh (2005): Die Bronzeputen (Truthühner), Fachinformation


 

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