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Schwerpunkt - Pferde


Rottaler


Dr. Arno Scherling, Beutelsbach

RottalerRottalerRottaler

Seit einigen Jahren wird daran gearbeitet, die älteste bayerische Pferderasse im klassischen Erscheinungsbild des Rottalers unter Fortführung der traditionellen Blutlinien zu erhalten.

Kurze Zuchtgeschichte

Bereits im 18. Jahrhundert und dann nach den napoleonischen Kriegen wurde in Bayern und hier vor allem im klimatisch und geographisch begünstigten Rottal auf der Grundlage einer lokalen Pferdepopulation, deren Ursprünge bis ins 10. Jahrhundert zurückreichen sollen, die Zucht durch Prämiensysteme und Bereitstellung von hochwertigen Beschälern staatlich gefördert. Diese Deckhengste stammten hauptsächlich aus der Normandie, aus Zweibrücken, aus England und Oldenburg-Ostfriesland. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die Beschäler dann mehr und mehr aus der eigenen Nachzucht gewonnen. In allen schriftlich fixierten Zuchtzielen war von einem kräftigen und edlen Pferd die Rede. Ende des 19. Jahrhunderts stand der eigentliche "Rotthaler" im sogenannten Schlag II oder III (starkes Reit- und Wagenpferd). In dieser Zeit waren die Rottaler bei den Militärkommissionen als schnelle, ausdauernde Artilleriezug und -reitpferde hoch geschätzt.

In der Satzung des 1906 gegründeten Rottaler Warmblutpferdezuchtvereines schließlich, war folgendes Zuchtziel festgelegt: Züchtung eines gängigen, gefälligen, starken und leistungsfähigen Kutschpferdes. Gang mit schwunghaftem und raumgreifendem Trab. Gliedmaßen trocken, tiefrumpfig und nicht hoch vom Boden gestellt. Gutmütigkeit ("Schläger und Beißer gibt es fast nicht"), Langlebigkeit und Fruchtbarkeit ("Stuten, die mit 20 Jahren noch ein Fohlen bringen, sind keine Rarität") stellten echte Werte in der Pferdezucht dar.

Ein durchgezüchtetes Wirtschaftspferd mit großer Einheitlichkeit und Gleichmäßigkeit war das Resultat. Es entstand eine vielseitige Pferderasse, geeignet für leichten und schweren Zug, und natürlich auch für den Reitdienst. Nach dem 2. Weltkrieg schien dafür kein Bedarf, so daß nach Umzüchtungsversuchen der Beschluß gefaßt wurde, die Bayerische Warmblutzucht als reine Sportpferdezucht auf hannoverscher Grundlage grundsätzlich neu aufzubauen. Die zunächst versuchte Verdrängungskreuzung wurde durch eine "Rassenbereinigung" mittels Ankäufen von Zuchttieren aus Hannover und Westfalen, sowie gleichzeitiger Zurückstufung der damals nur noch etwa 250 Rottaler Stuten abgelöst. 1963 wurde das Brandzeichen von "R" in "B" geändert. Bewußt wurden Söhne Rottaler Hengste nicht mehr gekört, die alten Rottaler Hengstlinien getilgt. Nur die allerbesten Stuten in Händen von traditionsbewußten Züchtern, die von deren Wert felsenfest überzeugt waren, haben diese Umwälzung überlebt.

Bestandsaufnahme und Bestand

Es wurde 1991 beabsichtigt, den Bestand von Abkömmlingen der alten Rottaler Mutterlinien möglichst vollständig zu erheben. Es wurde dann darauf hingearbeitet, ein gesondertes Stutbuch zu eröffnen, um einen Stutenstamm für die Erhaltungszucht aufzubauen. Bei der ersten Rottaler Stutbuchaufnahme im Jahr 1994 kamen elf Stuten zur Vorstellung. Bereits sechs Fohlen von den Erhalterhengsten Weltenburg und Morketo konnten registriert werden. Sie werden die ersten sein, welche dann im Alter von drei Jahren wieder den altehrwürdigen Rottaler Brand als züchterisches Prädikat tragen dürfen. Die Fohlen stammten durchwegs aus der künstlichen Besamung, da die Väter erst 1994 vom Rassebetreuer in das ursprüngliche Zuchtgebiet zurückgeholt werden konnten. Das fachkundige Publikum zeigte sich überrascht über die ausnahmslos korrekten Fohlen, sowie über die Vitalität der überwiegend betagten Stuten. Die älteste Teilnehmerin war die 21-jährige Elitestute Warga aus der Walküre, das Durchschnittsalter lag insgesamt bei 15½ Jahren. Es war buchstäblich in letzter Minute, daß eine Erhaltungszucht auf solider Grundlage wiedererrichtet werden konnte.

Rottaler Erhalterhengste:

Die zwei letzten Hengste stammen aus Rottaler Müttern, deren Mutterlinien sich wiederum bis an die Anfänge der Aufzeichnungen der Rottaler Zucht zurückverfolgen lassen.

Weltenburg, ein großliniger Rappe, fiel am 2. Mai 1981 von der Rottaler Staatsprämienstute Elenore. Sein Vater war der Hannoveraner Wendekönig von Wendekreis.

Die Mutterlinie geht einerseits über den Muttervater Ginar auf die alte Wittelsbacher-Linie zurück. Ginar wurde 1957 im Rottal aus der Empire vom Achselschwanger Hengst Gin gezogen. Andererseits stammt die Großmutter Eralda über Rambo von der Ruthard-Linie.

Nach einer kurzen Decksaison 1985 wurde er nach Baden-Württemberg an Privat verkauft. Lediglich sechzehn Nachkommen stammten aus diesem ersten Zuchteinsatz. Um so erstaunlicher ist es, daß gleich zwei Söhne zu den gewinnreichsten Pferden aus bayerischer Zucht zählen. Der von Josef Baumgartner in Gillöd aus einer Rottaler Stute gezogene Weltenbummler erreichte in der Dressur bisher eine Gewinnsumme von über DM 13.000.-.

"Morketo" wurde 1971 in einem kleinen bäuerlichen Betrieb in der Nähe von Griesbach im Rottal gezogen. Die braune Hengstmutter "Rakete" wurde in Karpfham mehrfach mit Ia-Preisen ausgezeichnet. Die Großmutter "Renalda" geht über "Edgar", aus dem einstmals bedeutenden Rottaler Zuchtbetrieb von Wasner in Wasen, auf den starkknochigen Vererber "Egarten". Die Mutterlinie läßt sich noch bis zu den ersten Aufzeichnungen der Rottaler Zucht zurückverfolgen.

"Morketo" ist auch für die bayerische Warmblutzucht zugelassen und brachte hier ebenfalls erfolgreiche Nachkommen, wie die DLG-Stute "Morgensonne", sowie das Grand-Prix-Pferd "Moonlight" mit einer Lebensgewinnsumme von über DM 14.000,-.

Charakterlich ist er einwandfrei und sehr umgänglich. Erfreulicherweise gibt er auch sein glänzendes, schwarzbraunes Fell häufig an seine Nachkommen weiter. Der mittlerweile im 25. Lebensjahr stehende kerngesunde Hengst überrascht seine Besucher durch jugendliche Ausstrahlung und Temperament.

Stutenlinien

Das Typische der gegenwärtigen Rottaler Zucht stellen die Stutenlinien dar. Obwohl die Aufzeichnungen darüber erst im Jahr 1906 einsetzen, dürften die Mutterlinien durchwegs bodenständig sein. Zurzeit ist nur noch eine Stutenfamilie, die Familie der Welle, in welcher sich alle bemerkenswerten Individuen der Rottaler Zucht eingebracht haben, von Bedeutung. Die Welle, 1937 gezogen, war Ia-DLG-Stute, erhielt den Hoesch-Preis und konnte die Leistungskürzel PF*L erhalten. Sie war eine Gardist-Tochter von einer Stute (Weibi APF*L) von Edelweiß. Drei Urenkeltöchter, alle aus der Walküre (vom bisher letzten Rottaler DLG-Ia-Hengst Garant), stehen z. Zt. in der Erhaltungszucht. Die Familie der Elsa, aus der die berühmte Engländerin stammte, wird derzeit nur mit deren Enkeltochter Ester fortgeführt.

Zuchtprogramm

Um eine grobe Vorauswahl zu treffen, wurde zunächst ein Hauptstammbuch (HST) und ein Vorbuch (VB) eingerichtet: In das HST werden korrekte Stuten, mit dem Zuchtziel entsprechenden Phänotyp und lückenlosem Pedigree (mindestens vier Generationen) eingetragen. In das VB gelangen die übrigen Stuten mit Rottaler Blutführung, von deren Nachzucht man typische und korrekte Exemplare erwartet. Sie stellen praktisch eine Unter-Genreserve dar. Einzigartig in der Pferdezucht soll - auch im Hinblick auf die Absatzmöglichkeit - das Brandzeichen als Gütesiegel nur die gelungenen Exemplare kennzeichnen. Die Fohlen werden deshalb vorläufig mit Nummernbrand registriert und beschrieben.

Zuchtziel

Mittelgroßes, vielseitig verwendbares, harmonisch gebautes, tiefes, breites und starkknochiges, edles Warmblutpferd, mit bestem Gangvermögen, gutem Temperament, hoher Fruchtbarkeit und Lebensleistung. Eignung für Reit- und Fahrverwendung.

Farben: möglichst gedeckte Farben mit wenig Bein- und Kopfabzeichen
Bestmaße: Stockmaß 160 - 165 cm
Röhrbein: 22 cm
Brustumfang: 200 cm

Es soll also ein Vielzweck-Pferd gezüchtet werden, das genetisch verankerte "innere" und "äußere" Werte besitzt und weitervererbt. Neben der körperlichen Korrektheit und Gesundheit müssen die Zuchttiere einen einwandfreien Charakter aufweisen. "Viel Pferd" soll auf einem edlen Fundament stehen - bei vernünftiger Widerristhöhe von 160 - 165 cm.

Dieser Allrounder ist für die Kutsche zum sonntäglichen Familienausflug ein genauso verläßlicher Partner wie für den Querfeldeinritt, für die Voltigiermanege oder für das therapeutische Reiten. Freunde von Gewichtsträgern kommen auf ihre Kosten. Natürlich soll die Stute mit ihren vielgepriesenen Muttereigenschaften auch in der Zuchtverwendung stehen - zweigleisig: in der Erhaltungszucht und in der Kombinationskreuzung.


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