Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter
Haustierrassen e.V. (GEH)
Schwerpunkt - Pferde |
Gerhard Carls, Wittgert
Noch zu Beginn des vorigen Jahrhunderts gab es in Deutschland in unwegsamen und unübersichtlichen Gebieten, vornehmlich im nordwestdeutschen Raum, Wildgestüte, sogenannte Wildbahnen. Dorthin hatten sich im 10. bis 12. Jahrhundert oder sogar noch früher die letzten Wildpferde zurückgezogen, um Nachstellungen zu entgehen. Die Markenteilung zwischen 1830 und 1850 bedeuteten jedoch das Ende für die meisten Wildbahnen und die Wildpferde. Nur die Wildbahn des Merfelder Bruches, nahe dem Städtchen Dülmen, konnte bis in den heutigen Tag erhalten werden. Dies ist der Initiative des Herzogs Alfred von Croy zu verdanken, der um 1850 20 „Merfelderbrücher" - so nannte man die Wildpferde damals - einfangen und in einem Gehege von 132 Morgen unterbringen ließ. Im Laufe der Zeit mußte die Wildbahn wegen ausgesprochen hoher Vermehrungsraten mehrfach erweitert werden, sodaß sie heute ca. 1500 Morgen umfaßt und 250 bis 300 Pferden Lebensraum und Nahrung bietet.
Zweifellos handelt es sich bei den Dülmener Wildpferden um eine der ältesten Pferderassen Deutschlands, wenn nicht sogar um die älteste. Bereits in einer Urkunde aus dem Jahren 1316 finden die Wildpferde Erwähnung. Damals sicherten sich die Herren Johannes de Lette und Hermann de Merfeld neben dem Jagd- und Fischereirecht auch das Recht an den wilden Pferden.
Wildpferde im zoologischen Sinne sind die Dülmener jedoch nicht, da im Laufe der Jahrhunderte immer wieder einmal Vermischungen mit entlaufenen Kriegs- und Bauernpferden stattgefunden haben, so daß alle Pferde des Merfelder Bruches mehr oder weniger Merkmale der Domestikation erkennen lassen. Hinzu kommt, daß wiederholt Hengste nicht passender Rassen zur Blutauffrischung eingekreuzt wurden; so unter anderem auch recht „bunte" Welsh-Hengste der Sektionen A und B (letztmalig 1939). Es wurde jedoch, wie fälschlicherweise des öfteren behauptet wird, zu keiner Zeit Araber zur Veredelung eingekreuzt.
Um Domestikationsmerkmale, wie Abzeichen, Fehlfarben (Füchse), wieder auszumerzen, setzte man nach dem 2. Weltkrieg nur noch Hengste ursprünglicher Rassen als Beschäler ein - Mongole, Huzule, Exmoor. Seit 1956 finden überwiegend Koniks aus dem Tarpan-Rückzüchtungsprogramm in Popielno/Polen und deren Abkömmlinge aus der Wildbahn als Deckhengste Verwendung.
Der Dülmener ist ein kalibriges Kleinpferd mit einem Stockmaß von 125-135 cm (maximal 140 cm). Verhältnismäßig edle Köpfe mit offenen, lebhaften Augen und kurzen spitzen Ohren sind charakteristisch. Der gut aufgesetzte Hals, oft mit Unterhals, geht über den mäßig ausgebildeten Widerrist in den elastischen und gut bemuskelten Rücken über, dem sich die oft abschüssige Kruppe anschließt. Trockene, markante Gelenke, stabile Röhren (16 - 19 cm Röhrbeinumfang) und kleine harte Hufe sind weitere Charakteristika dieser Rasse. Beim Dülmener sind Falben in allen Variationen zugelassen. Allerdings haben sich in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten zwei Hauptfarben herausgebildet. Man unterscheidet zwischen mausgrauen und den gelbbraunen Falben. Letztere sollen angeblich Przewalskiblut führen; wahrscheinlicher ist allerdings, daß dieser Typ Kreuzungen von Graufalben und den früher häufigen Pferden im Exmoortyp entstammt.
Am 14.8.1988 formierte sich ein kleiner Kreis engagierter Freunde des Dülmener Wildpferdes zu einer Interessengemeinschaft. Ziel der IG soll sein, diese alte und einzige bodenständige Kleinpferderasse Deutschlands im eigenen Land einem großen Freundeskreis zugänglich zu machen. Dieses Vorhaben wird in §1 der Vereinssatzung wie folgt formuliert: .... Zweck des Vereins ist in erster Linie die Zucht und Reinerhaltung dieser alten Rasse, sowie deren Verbreitung und deren Einsatz im Reit- und Fahrsport.
Hinsichtlich der Erhaltung sollen auch die Farben besondere Beachtung finden, die im Merfelder Bruch durch die über große Zeiträume hinweg praktizierte Verdrängungskreuzung mit graufalben Konikhengsten fast gänzlich oder gar schon verschwunden sind. In erster Linie handelt es sich dabei um den Exmoor-Typ und die schwarzbraunen Falben. Ziel ist es weiter, den Typ unverändert beizubehalten und ein Pferd im Verdauungstyp bei mittlerer Größe, 130 bis 135 cm anzustreben. Eigenschaften wie Robustheit, Leichtfuttrigkeit, hohe Fruchtbarkeit und Langlebigkeit sollen in der Zucht eine zentrale Rolle spielen. Es bleibt zu hoffen, daß die Bestände der Populationen, die sich in Privathand befinden, eine ausreichende Ausgangsbasis hierfür bieten.
Die von der Cereopa herausgegebene Liste der bedrohten Equiden weist bei den Dülmenern einen Bestand von 289 Pferden aus (1992), wovon ca. 250 auf die Wildbahn Merfelder Bruch entfallen. Laut Statistik der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) befanden sich 1994 42 eingetragene Stuten und 8 gekörte Hengste in Privathand. Im Jahr 2005 waren 95 Tiere im Herdbuch eingetragen.
Ein Problem in der Dülmener Zucht besteht zur Zeit hinsichtlich der genetischen Varianz innerhalb der Population der außerhalb der Wildbahn gezüchteten Pferde. Da seit einigen Jahren keine Stuten aus der Wildbahn mehr abgegeben werden und in vielen Verbänden ältere Wildbahnstuten und deren Töchter mangels vollständiger Abstammungsnachweise in den Vorbüchern eingetragen sind, kommen nur sehr wenige Stuten als Hengstmütter in Frage. Daher treffen zu viele Hengste naher Verwandtschaft auf eine kleine und bereits sehr enge Stutengrundlage. Eine Verbesserung der Situation kann nur dann erfolgen, wenn eine Möglichkeit gefunden wird, hoch bewehrtes, augenblicklich im Vorbuch eingetragene reine Dülmener Stuten als Hengstmütter einzusetzen. Die Hereinnahme von Hengsten aus der Wilbahn erscheint äußerst fragwürdig, da die Abstammung nicht eindeutig definiert werden kann, da pro Saison mehrere und zum Teil nicht gekörte Hengste eingesetzt werden. Hinzu kommt, dass der Erhalt der Wildbahn sehr in Frage gestellt ist, wenn dort nicht grundlegende Änderungen getroffen werden.
Zu viele Pferde auf zu engem Raum, mangelnde Hygiene bei der Winterfütterung und die damit verbundene totale Verwurmung bedingen schon heute enorme Ausfallquoten und haben mit natürlicher Selektion nichts mehr zu tun.
Um den Dülmener wirklich zu erhalten, wäre ein Umdenken der Verantwortlichen in den Landespferdezuchtverbänden dringend notwendig. Da Dülmener bundesweit gezüchtet werden, sollten Ländergrenzen bei der Förderung nicht im Wege sein. Positiv zu werten ist die Unterstützung, die die IG durch die Reiterliche Vereinigung - Bereich Zucht, und die Arbeitsgemeinschaft der Ponyzüchter erfährt.
Ein Informationsservice der GEH e.V.
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