Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter
Haustierrassen e.V. (GEH)
Schwerpunkt - Geflügel |
Diese bewegliche und sehr weidetüchtige Gans, die der Rassengruppe der Landgänse zuzurechnen ist, erhielt ihren Namen von dem Quell- und Flussgebiet der Lippe im heutigen Bundesland Nordrhein-Westfalen. Dieses Ursprungsgebiet der Lippegans wird im Süden durch die Höhenzüge von Sauerland und Rothaargebirge und im Osten bzw. Nordosten von Eggebergland bzw. dem Teutoburger Wald keilförmig begrenzt. Die im Vorland des Teutoburger Waldes entspringenden Flüsse Ems und die der Rasse den Namen gebende Lippe kennzeichnen neben einer Vielzahl kleinerer Gewässer diese Region. Mit Ausnahme der in großen Gebieten recht trockenen Senne finden sich Standortbedingungen für eine intensive, bäuerlich geprägte Kulturlandschaft. Teilweise hoch bonitiertes Ackerland (Soester Börde) wechselt mit „frischem Grünland“, wobei letzteres eine hervorragende Futtergrundlage für die Gänsezucht und -haltung liefert. Über die Herauszüchtung der Lippegans gibt es keine exakten Dokumentationen, wie dies typisch für viele Landrassen ist. Seit 1860 ist die hier heimische Landgans unter dem Rassenamen Lippegans nachweisbar. Basieren auf einheimischen Landgänsen, die überwiegend gescheckt waren, wurde unter Einfluss der nahe verwandten Diepholzer Gans der Typ zu einer bodenständigen Rasse gefestigt. Die Gänsehaltung war überwiegend in den kleinbäuerlichen Haltungen verbreitet und trug dort zur Aufbesserung des meist nicht üppigen Einkommens bei. Zum 1. April eines Jahres mussten die Wiesen der Lippeniederung „gänsefrei“ sein, um dann den Aufwuchs für das Großvieh zur Verfügung zu haben. Deswegen waren frühe Bruten unerlässlich und die dann flüggen Gössel wurden auf den Frühjahrsmärkten der Region an Händler verkauft. In den 1930er Jahren war einer der bekanntesten Vertreter dieser Zunft der „Gänsekönig“ Kurt Lütgert aus Delbrück. Die Marschtüchtigkeit der Lippegänse war auf den Treibwegen zu den Bahnstationen gefordert. So gingen die Jungtiere im Alter von etwa acht Wochen (dann etwa 2,5kg schwer) von der im Mai stattfindenden Geseker Gösselkirmes zum Bahnhof Geseke, und von dort per Eisenbahn in die Großmästereien z.B. im Oderbruch.
Über Sommer und bis zu Beginn der Zuchtsaison verblieben nur die Zuchttiere in den bäuerlichen Betrieben und mussten sich mit dem knappen Futterangebot an Wegrändern und Stoppelgang begnügen. 1928 wurde ein Zuchtverein Lippetal gegründet, der in erster Linie für den Absatz der Tiere verantwortlich war. Trotz des Höchstbestandes von etwa 70.000 Tieren, der bis Ende der 1930er Jahre anzusetzen war, wurde diese Gänserasse außerhalb ihres Verbreitungsgebietes kaum bekannt, und sie erschien auch nur vereinzelt auf den regionalen Rassegeflügelausstellungen ihres engeren Heimatraumes. Wie bei nahezu allen Gänserassen folgte beginnend mit den 1950er Jahren durch veränderte Verzehrgewohnheiten und billigere Importe aus dem Ausland ein massiver Rückgang dieser Geflügelspezies. Der gesamte Gänsebestand in Deutschland hat sich übrigens auch heute noch nicht von dieser Zäsur erholt, was besonders durch den heutigen Versorgungsgrad mit gerade 13 % Gänsefleisch aus heimischer Produktion deutlich wird. Die letzten Rassevertreter der Lippegans waren in den 1970er Jahren wohl nur noch in Beständen Schuhmacher-Rinsche (Wiggeringhausen/Soest) und Deppe (Holsen/Salzkotten) vorhanden.
Ohne hier bis ins Detail auf den derzeit gültigen Rassestandard des BDRG einzugehen, sollen im folgenden Text doch die markantesten Eigenschaften und Rassemerkmale herausgestellt werden. Die Lippegans vertritt einen mittelhoch gestellten, mittelschweren (Zuchttiere: Gans 2,5 bis 6 kg, Ganter: 6,5 bis 7 kg, Masttiere: bis 9 kg), gestreckten und leicht beweglichen Landganstyp. Sie ist ein ausgesprochenes Weidetier („Stoppelgängerin“) mit guter Marschfähigkeit. Im Zuchtziel verankert sind Frohwüchsigkeit, Anspruchslosigkeit, geringe Krankheitsanfälligkeit und Wetterfestigkeit. Besonderer Wert wird auf leichte Mästbarkeit sowie sehr gute Lege- und Bruteigenschaften gelegt. Die Fruchtbarkeit und Frühreife kommt in der Tatsache zum Ausdruck, dass man in der Regel zwei und bei guter Haltung auch drei Bruten (Oktober, Dezember; März) mit jeweils etwa 12 bis 20 Eiern erwarten kann.
Die Bestandszahl der im Stammbuch Lippegans e.V. registrierten Zuchttiere lag 2007 bei rund 35 Zuchtpaaren innerhalb des Großraumes Westfalen-Lippe in NRW. Auch hier konnte mit 70 vorgestellten Tieren auf der Stammbuchschau ein zufriedenstellendes Ergebnis erzielt werden. 33 Zuchttiere sind im Rahmen der Stammbuchschau an Züchter vermittelt worden. Leider ließen sich nicht alle Neubestände in die Zuchtorganisation integrieren. Auch bei der Lippegans konnten mehr Junggänse als in den Vorjahren durch die Kombination von Natur- und Kunstbrut nachgezogen werden. Leider fielen auch bei dieser Rasse einige Bestände komplett aus.
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