GEH-Logo klein Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V. (GEH)

Schwerpunkt - Schweine


1.5. Das Angler Sattelschwein

Heiner Iversen, Munkbrarup


Geschichte

In der gar nicht mal so langen, dafür aber sehr wechselvollen Geschichte des Angler Sattelschweins ist hoffentlich der Tiefpunkt überschritten. Ende der achtziger Jahre standen keine zehn Sauen mehr im Herdbuch, und der einzige eingetragene Eber war in der Besamungsstation des Zuchtverbandes zu Hause.

Begonnen hatte die Geschichte des Angler Sattelschweins in den zwanziger Jahren. Ein Kreis von engagierten Viehzüchtern in der Landschaft Angeln im Norden Schleswig-Holsteins hatte durch Einkreuzen von englischen Wessex-Saddleback eine eigene Rasse gezüchtet. 1929 wurde der "Verein zur Zucht des Angler Sattelschweins" gegründet.

Die schnelle Verbreitung verdankte die Rasse ihren hervorragenden Muttereigenschaften, der guten Weidefähigkeit und ihrer Anspruchslosigkeit in der Haltungsform. Nach dem Krieg war das Angler Sattelschwein die in Schleswig-Holstein am weitesten verbreitete Schweinerasse, und auch in den anderen Bundesländern erfreute sie sich großer Beliebtheit.

Angler-Sattelschwein-Sau
Angler-Sattelschwein-Sau (Süderbarup 1954, Züchterin M. Andersen)

Allerdings machte sich bereits in den fünfziger Jahren eine Trendwende bemerkbar, die später dem Angler Sattelschwein zum Verhängnis werden sollte: Die Nachfrage nach magerem Fleisch ohne Fettauflage stieg, und die Schlachthöfe wollten nicht mehr Schweine mit schwarzer Haut verarbeiten. Auch die gute Weidefähigkeit - eine tragende Angler Sattelsau konnte sich ausschließlich von Gras auf der Weide ernähren - spielte eine immer geringere Rolle, weil die intensive Schweinehaltung zunahm. Das Sattelschwein mit seinem größeren Anteil an Speck und der außer dem weißen "Sattel" über Schulter und Vorderbeinen ausschließlich schwarzen Haut geriet ins Abseits. Die hervorragende Qualität des gut durchwachsenen, marmorierten Fleisches dieser Rasse spielte in der damaligen Zeit noch keine Rolle. So schwunghaft, wie einst der Aufstieg des Angler Sattelschweins begonnen hatte, so schnell sank der Marktanteil in den sechziger Jahren wieder. Anfang der siebziger Jahre spielte es im Marktgeschehen keine Rolle mehr.

Ende der achtziger Jahre waren es nur noch einige Bauern, die der Sattelschweinezucht treu geblieben waren: Herr Reßmann, Seedorf; Herr Lüdemann, Hemdingen; Herr Hass, Embühren und Herr Wree, Nordballig. Aber der Markt, der einzig und allein die Fleischfülle honoriert, machte es schwer, mit den Sattelschweineprodukten zurechtzukommen. Die wenigen Sauen, die noch übrig geblieben waren, waren meist miteinander verwandt, zumal keine eigenen Eber mehr gehalten wurden, sondern der jeweilige Eber von der Besamungsstation eingesetzt wurde. Aus diesem Bestand die Zucht wieder aufzubauen, wäre sehr schwierig gewesen.

Neubeginn

Einen Neubeginn starteten 1992 einige Betriebsleiter von Biobetrieben mit Unterstützung des Schweinezuchtverbandes und der Landesregierung. Es ergab sich die Möglichkeit, von der ehemaligen LPG Hirschfeld in Sachsen Sattelschweine zu erwerben, die dort als Genreserve gehalten wurden. 50 Sauen und vier Eber gelangten so nach Schleswig-Holstein.

Dass es gerade Biobetriebe waren, die den Neuanfang wagten, hat sicher seinen Grund. Es wird in der Regel ab Hof und regional vermarktet, und so besteht die Möglichkeit, durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit und Werbung die gute Fleischqualität über den Preis zu realisieren. Außerdem wird viel zu Wurst verarbeitet, so dass für Speck und Fett genügend Verarbeitungsmöglichkeiten bestehen. Auch kommt die gute Verwertungsmöglichkeit von Gras und Silage der Haltung auf Biobetrieben entgegen, weil die Tiere dort in der Regel Auslauf haben oder Rauhfutter bekommen. Wenn die Tiere an Schlachtereien oder Metzger verkauft werden, wird meistens mit Kreuzungstieren aus Sattelschwein-Sauen und Kreuzungsebern gearbeitet.

Der Zukauf aus Hirschfeld hat allerdings auch Probleme aufgeworfen. Dort wurden keine reinen Angler Sattelschweine gehalten, sondern eine Mischung aus Sattelschwein, Schwäbisch-Hällischem und tschechischem Prestizer (s. a. Artikel "Deutsches Sattelschwein"). Dem ursprünglichen "Outfit" des Angler Sattelschweins, gänzlich schwarz bis auf den weißen Sattel über Schulter und Vorderbeine, können wir deshalb heute nicht mehr ganz gerecht werden. Alle anderen Zuchtziele sind beim Deutschen Sattelschwein in den östlichen Bundesländern, dem Schwäbisch-Hällischen Schwein und dem Angler Sattelschwein identisch. Nur bemüht man sich in Schleswig-Holstein eben stärker, den größeren Anteil Schwarz und den weißen Sattel herauszuzüchten.

Inzwischen wird in Schleswig-Holstein in sechs Betrieben und im Haustierpark Warder das Sattelschwein gezüchtet. Allerdings sind einige der Bestände (die meisten zwischen zehn und 25 Sauen) noch im Aufbau, die Gesamtzahl der eingetragenen Herdbuchsauen ist bisher kaum über die ursprünglichen 50 angewachsen. Das hat seine Gründe darin, dass erstens einige der Hirschfeld-Sauen in Betriebe gekommen sind, die keine Herdbuchzucht betreiben; zweitens ist die Koordination der Zuchtarbeit auf den einzelnen Betrieben nicht ausreichend.

Förderverein Angler Sattelschwein

Mit aus diesem Grund wurde dann Anfang 1996 in Angeln ein "Förderverein Angler Sattelschwein" gegründet. Als Aufgabenfeld wird in dem Faltblatt des Vereins genannt: Unterstützung der Zuchtarbeit, Aufmerksamkeit für ein altes Kulturgut wecken und Konzepte für regionale Vermarktung anregen. Den Schwerpunkt seiner Arbeit hat der Verein in die Landschaft Angeln gelegt, bei der Zuchtarbeit werden aber auch darüber hinaus Betriebe betreut.

Die Arbeit des Fördervereins wird von der Landesregierung, vom Schleswig-Holsteinischen Schweinezuchtverband und von der Kulturstiftung des Kreises Schleswig-Flensburg unterstützt, außerdem natürlich von Vereinen und Einzelpersonen, die Mitglied im Förderverein geworden sind.

In Zusammenarbeit mit dem Förderverein zeigte die Kulturstiftung in ihrem Landschaftsmuseum im Sommer 1996 eine Ausstellung zur Geschichte des Angler Sattelschweins. Im Juni führte der Förderverein in den Gebäuden des Landschaftsmuseums eine zweitägige Vortrags- und Diskussionsveranstaltung durch mit dem Thema "Wege zum Erhalt alter Rassen am Beispiel des Angler Sattelschweins". Durch die Gründung des Fördervereins, die Ausstellung und die Veranstaltung ist dem Angler Sattelschwein wieder erheblich mehr Aufmerksamkeit geschenkt worden. Die Nachfrage nach Schlacht- und Zuchttieren ist so angestiegen, dass sie kaum noch befriedigt werden kann. Und was besonders erfreulich ist: es haben sich Bauern gemeldet, die noch Angler Sattelschweine halten, zum Teil in gar nicht so kleinen Herden. Diese Tiere sind natürlich nicht im Herdbuch erfasst, und so wird es eine der nächsten Aufgaben des Fördervereins in Zusammenarbeit mit dem Zuchtverband sein, geeignete Tiere aus diesen Beständen über ein Vorbuch in die Herdbuchzucht einzubeziehen.

Die Herdbuchzucht wird vom Land Schleswig-Holstein unterstützt, und zwar zur Zeit noch der Ankauf von Sauen und Ebern sowie jeder reinrassig aufgezogene Wurf. Nötig wäre zum gegenwärtigen Zeitpunkt darüber hinaus eine personelle Unterstützung, die die Koordination der Zuchtarbeit in die Hand nimmt. Die bisherige Arbeit hat gezeigt, dass sonst zu leicht Fehler bei den Anpaarungen gemacht werden und so die Gefahr der Inzucht unversehens ansteigt. Und die Einbeziehung der nicht im Herdbuch geführten Altbestände kann der Förderverein aus eigener Kraft kaum leisten.

Die Sattelschweinzüchter und -halter treffen sich in Schleswig-Holstein zwei- bis dreimal im Jahr zu einem Gedankenaustausch. Dort wird über den Tierzukauf gesprochen, über Fragen der Herdbuchführung, über Haltungs- und Gesundheitsfragen. Ein Thema ist immer wieder, wie wir zu objektiven Leistungsdaten über die Angler Sattelschweine kommen. Die letzten Daten aus Mastprüfungsanstalten gibt es aus den achtziger Jahren, aber sie beruhen noch auf einer ganz anderen Zuchtbasis. Die Mastprüfungsanstalt Katlenburg in Niedersachsen hat im Herbst 1995 mit einer Prüfung alter Rassen begonnen, darunter auch Tiere aus Schleswig-Holstein. Ein Problem ist allerdings, dass die Haltung der Sattelschweine in der Praxis gewaltig von der in der Mastprüfungsanstalt abweicht und deshalb die Übertragung auf die Betriebe kaum möglich sein wird.

Zum Schluss möchte ich noch auf eine Empfehlung zur Förderung gefährdeter Nutztierrassen in Schleswig-Holstein vom Arbeitsausschuß zur Erhaltung der genetischen Vielfalt bei landwirtschaftlichen Nutztieren der Deutschen Gesellschaft für Züchtungskunde e.V. hinweisen. Dort heißt es im Absatz "Schweine": "Der Ausschuß empfiehlt, Angler Sattelschweine, Rotbunte Sattelschweine, Deutsche Sattelschweine und Schwäbisch-Hällische Schweine als eine Zuchtpopulation zu betrachten, ohne die lokalen Bezeichnungen aufzugeben. Zur Erhaltung der genetischen Vielfalt und zur Vermeidung von Inzucht soll unter Einbeziehung der Besamung ein Rotationsprogramm für Eber entwickelt werden. Die Schweineherdbuchzucht Schleswig-Holstein e.V. wird gebeten, mit der Durchführung des Zuchtprogrammes einen ständigen Mitarbeiter zu beauftragen. Der Ausschuss befürwortet die Gründung eines Fördervereins, der auch die Vermarktung der Fleischerzeugnisse unterstützt, sowie die Benennung oder Wahl eines Rassebetreuers der GEH."


Fenster schließen

 

Ein Informationsservice der GEH e.V.
© 1997 Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V. (GEH)