Die Gefährdete Nutztierrasse des
Jahres 2014
Pressemitteilung
03. Dezember 2013 (Lange Version)
„Wilde Pferde aus Westfalen- die
Dülmener"
Noch zu Anfang des 19. Jahrhunderts gab es in Deutschland einzelne
Wildbahnen, in denen sich „Wildpferde“ erhielten und fortpflanzten.
Bei diesen sogenannten „Wildpferden“ handelte es sich um verwilderte
Hauspferde. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts gab es fünf solcher Wildbahnen
in Westfalen.
Den
nahezu vollständigen Niedergang der Wildpferde brachten die
Markenteilungen zwischen 1840 und 1850 mit sich, nur die Wildbahn im
Merfelder Bruch bei Dülmen in Westfalen konnte bis hinein in unsere Tage
erhalten werden.
Zweifellos handelt es sich bei den Dülmener Wildpferden um die älteste
Kleinpferderasse Deutschlands; denn schon 1316 werden diese Pferde in
einer Urkunde erstmals erwähnt. Damals sicherten sich die Herren Johannes
de Lette und Hermann de Merfeld neben dem Jagd- und Fischereirecht auch
das Recht an den wilden Pferden. Dass sich bereits im Mittelalter ein
solches Recht herausgebildet hatte, lässt den Schluss zu, dass diese
kleinen Pferde schon sehr viel länger in diesem Gebiet heimisch waren.
Dies wird auch durch Cäsars Geschichtsschreiber bestätigt (55 v. Chr.),
als sie ein kleines zottiges Pferd beschrieben, welches in der Lage war,
sich schnell fortzubewegen.
Vor allem dem Herzog Alfred von Croy haben wir es zu verdanken, dass nach
der Markenteilung die Dülmener nicht ausgerottet wurden. Er veranlasste
um 1850, dass die letzten Wildpferde – eine kleine Herde von etwa 20
Tieren – eingefangen wurden und gab ihnen ein Gehege von zunächst 132
Morgen, das jedoch im Laufe der Zeit wegen der Vermehrung der Pferde
mehrmals vergrößert wurde. Heute umfasst die Wildbahn im Merfelder Bruch
ca. 1500 Morgen und bietet 250 bis 300 Pferden Lebensraum und Nahrung.
Dülmener Wildpferde sind wegen ihrer außerordentlichen Härte bekannt.
Diese Härte resultiert aus der natürlichen Selektion und den
Haltungsbedingungen. Obwohl die Wildbahn mit Weide-, Wald-, Heide- und
Bruchgelände den Pferden abwechslungsreiche Nahrung bietet, ist das
Futterangebot nur mäßig und karg. Hinzu kommt, dass die Wildlinge nur in
strengen Wintern ein Zufutter in Form von Heu und Stroh und in neuerer
Zeit auch Grassilage erhalten, aber niemals Kraftfutter.
Das Bild der Herde soll einer Wildpferdeherde gleichen
Wildpferde im zoologischen Sinne sind die Dülmener jedoch nicht, da sie
alle mehr oder weniger Merkmale der Domestikation erkennen lassen. Zum
einen hat es in den vergangenen Jahrhunderten immer wieder Vermischungen
mit Kriegs- und Bauernpferden gegeben, zum anderen wurden zur
Blutauffrischung wiederholt auch Hengste „fremder Rassen“ eingekreuzt;
so unter anderem Welshponies der Sektion A und B. Ab 1944 setzte man
jedoch nur noch Hengste ursprünglicher (primitiver) Rassen ein –
Mongole, Huzule, Exmoor – und seit 1956 überwiegend Konikhengste aus
dem Tarpanrückzüchtungsprogramm in Popielno/Polen oder aber deren
Abkömmlinge aus der Wildbahn. Da in den vergangenen Jahren überwiegend
graufalbe Hengste als Beschäler Verwendung fanden, kristallisiert sich
ein klar umrissenes Zuchtziel heraus: Das neue Bild der Herde soll einer
Wildpferdeherde gleichen; d. h. es haben sich zwei Hauptfarben
herausgebildet. Man unterscheidet zwischen dem Tarpan–Typ (mausgraue
Falben) und dem Przewalski–Typ (gelbbraune Falben). Daneben gibt es
dunkel- und schwarzbraune Pferde, die alle den charakteristischen
Aalstrich, z.T. auch Schulterkreuz und Wildzeichnung an den Extremitäten
aufweisen.
>Bis auf den gesteuerten Einsatz der Deckhengste sind die Wildlinge
ganz sich selbst überlassen und müssen mit Geburt und Krankheit alleine
fertig werden. Nur einmal im Jahr wird die urtümliche Idylle des
Merfelder Bruches nachhaltig gestört; nämlich dann, wenn am letzten
Samstag im Mai die einjährigen Hengstfohlen im Rahmen eines Volksfestes
mit tausenden von Zuschauern eingefangen und versteigert werden.
Stuten verlassen heute so gut wie nie die Wildbahn. Sie sterben dort wo
sie auch geboren wurden. Nach dem Jährlingsfang werden die Deckhengste in
die Herde entlassen, um für den Fortbestand dieser alten Rasse zu sorgen.
Anders als in einer von Menschenhand unbeeinflussten Wildpferdeherde ist
der Hengst nicht uneingeschränkter Herrscher über seinen Harem. Da die
Deckperiode nur von Ende Mai bis September währt – so ist
gewährleistet, dass die Fohlen nicht zu spät im Jahr fallen – gelingt
es dem Beschäler selten und meist nie ganz, die Herde seinem Willen zu
unterwerfen. Die Leitstuten verteidigen mit Drohgebärden und wenn es sein
muss, auch mit Hufen und Zähnen ihre angestammten Rechte. Nur in der Zeit
der Rosse unterwerfen sie sich dem Deckhengst.
Die Herde gliedert sich in einzelne Sippen; dies sind Familienverbände
einer Stamm-Stute, deren Töchter und aller Fohlen. Unter den Sippen
besteht eine strenge Hierarchie und die Leitstute der Herde entstammt in
den meisten Fällen auch der ranghöchsten Familie. Die Leitstute ist es,
die den Tagesablauf der gesamten Herde bestimmt; sie wählt die Weide- und
Ruheplätze und es ist ihr Privileg, als erste die Tränke aufzusuchen.
Verwendung und Eigenschaften
Unter den Dülmenern findet man heute ansprechende Kinder- und
Erwachsenenpferde mit ausdrucksvollen Köpfen, guter Haltung, harmonischem
Körperbau und guten Gängen.
Es soll nicht versäumt werden, die Charakteristika und die
Einsatzmöglichkeiten des Dülmener Wildpferdes zu skizzieren: Dülmener
sind ohne Falsch und Bosheit, besonders ausgeglichen, intelligent und
lernfreudig; sehr gute Futterverwerter, überaus hart, robust und sehr
ausdauernd; sehr langlebig und bis ins hohe Alter fruchtbar.
Die Dülmener sind ein vielseitiges Kleinpferd für die ganze Familie,
gleichermaßen gut geeignet als Kutsch- und Reitpferd (Gewichtsträger).
Heute werden die Dülmener auch zum Voltigieren und zum therapeutischen
Reiten mit großem Erfolg eingesetzt. Darüber hinaus gehen diese kleinen
Pferde auch mühelos über größere Distanzen und werden im Fahrsport
eingesetzt.
Wie die meisten Robust- und Primitivpferderassen ist auch das Dülmener
Wildpferd spätreif, das heißt, dass der Dülmener nicht vor dem 3.
Lebensjahr eingefahren und nicht vor dem 4. Lebensjahr in Beritt genommen
werden soll. Die Erfahrung zeigt, dass sonst Schäden am Knochen- und
Bewegungsapparat nahezu vorprogrammiert sind.
Die Interessensgemeinschaft des Dülmener Wildpferdes e.V.
Im Jahr 1988 formierte sich ein kleiner Kreis engagierter Züchter und
Freunde und erstellte Eintragungs- und Zuchtrichtlinien für die Dülmener
Pferde. Die seit 1988 bestehende Interessengemeinschaft des Dülmener
Wildpferdes e. V. hat sich zur Aufgabe gemacht, die Zucht und
Reinerhaltung dieser alten Rasse sowie deren Verbreitung und Einsatz im
Reit- und Fahrsport zu unterstützen. Eigenschaften wie Robustheit,
Leichtfuttrigkeit, hohe Fruchtbarkeit und Langlebigkeit sollen in der
Zucht eine zentrale Rolle spielen. Eine intensive Öffentlichkeitsarbeit,
Publikationen in der Fachpresse und die Beschickung überregionaler
hippologischer Veranstaltungen – Equitana, Hansepferd, Grüne Woche
haben dazu beigetragen, das Interesse an dieser alten Rasse zu wecken.
Auch die Veranstaltungen der IG – Freizeitrallye, Distanzen,
Schauvorführungen und Bundesschauen – taten ein Übriges.
Aktueller Zuchtbestand
Die Herde in der Wildbahn umfasst etwa 360 Tiere aus verschiedenen
Altersgruppen. Der geschätzte Gesamtbestand außerhalb der Wildbahn liegt
bei 80 – 90 Zuchtstuten, 23 Zuchthengsten und 15 Fohlen. Damit summiert
sich der Gesamtbestand der Dülmener weltweit auf derzeit 485 Tiere, damit
werden sie in der Roten Liste in Kategorie I extrem
gefährdet geführt.
Ein Teil der Tiere außerhalb
der Wildbahn wird im Zuchtbuch der Reiterlichen
Vereinigung (FN) geführt werden. Es ist auffällig, wie sich der
Bestand in den Jahre 2011 und 2012 verändert hat.
|
2011
|
2012
|
Veränderung
|
Reg. Hengste
|
24
|
15
|
- 37,5 %
|
Körungen
|
2
|
1
|
- 50 %
|
Eingetragene Stuten
|
48
|
46
|
- 4,2 %
|
Stutbucheintragungen
|
7
|
9
|
+ 28,6 %
|
Bedeckungen
|
8
|
4
|
- 50 %
|
Fohlen
|
7
|
10
|
+ 42,9 %
|
Tabelle: Dülmener Pferde im Zuchtbuch der
Reiterlichen Vereinigung (FN)
Rassebeschreibung
Aufgrund
der Zweiteilung der Rasse nach Tieren in der Wildbahn und Tieren
außerhalb der Wildbahn, wird mit zwei verschiedenen Rassebezeichnungen
gearbeitet:
Dülmener
Wildpferd
Als
Dülmener Wildpferd werden alle Kleinpferde, die im Merfelder Bruch
geboren werden und dort leben (Wildpferdebahn), oder aus ihr veräußert
werden bezeichnet.
Dülmener
Als
Dülmener werden alle Kleinpferde die außerhalb der Wildbahn gezogen
werde bezeichnet.
Zuchtzielbeschreibung
Rasse: |
Dülmener (Wildpferd)
|
Herkunft: |
Deutschland, Merfelder Bruch bei Dülmen
|
Größe:
|
125 cm – 135 cm
|
Farben: |
Falben in allen Variationen; alle mit Wildzeichnung; weiße
Abzeichen sind nicht erwünscht
|
Gebäude - Kopf:
|
mittelgroß; ausdrucksvoll; breite Stirn; gerader bis leicht konkaver
Nasenrücken; große, intelligente Augen; kleine Ohren
|
Gebäude - Hals:
|
genügend lang; leicht gewölbt; gut aufgesetzt; Unterhals wird
toleriert
|
Gebäude - Körper:
|
mäßig
ausgebildeter Widerrist; schräge Schulter; elastischer, gut bemuskelter Rücken; oft leicht
abschüssige Kruppe; breite Brust; gute Rippenwölbung und Gurtentiefe; Rechteckformat
|
Fundament:
|
trockene, markante Gelenke; stabile Röhren; nicht zu lang
gefesselt; gut geformte, kleine, harte Hufe; Hinterhand gut gewinkelt; muskulös
|
Bewegungsablauf:
|
taktrein;
raumgreifend; elastisch; nicht zu flach; energischer Schub aus der Hinterhand
|
Einsatzmöglichkeiten:
|
vielseitiges Familienpferd; gut geeignet als Kutsch-,
Reit- und Distanzpferd auch im Einsatz als
therapeutisches Reitpferd
|
Besondere Merkmale:
|
gutmütig; ausgeglichen; lernfreudig; hart;
robust; ausdauernd; sehr guter Futterverwerter; langlebig
|
Einsatz
in Landschaftspflege und Naturschutz
Die
Dülmener Pferde sind ebenso wie der Lebensraum aus dem sie stammen heute
hochgradig gefährdet. Extensiv genutzte historische Kulturlandschaften,
wie Heiden, Magerrasen, Bruch- und Feuchtgrünlandflächen sind in der
modernen Landwirtschaft nicht mehr rentabel zu bewirtschaften und können
nur durch Förderprogramme des Naturschutzes erhalten und gepflegt werden.
Dülmener Pferde werden deshalb heute gezielt in Naturschutzgebieten
eingesetzt, um die letzten halboffenen Weidelandschaften Deutschlands für
die Nachwelt zu erhalten. In der Landschaftspflege werden derzeit vier
größere Herden mit insgesamt etwa 50 Tieren eingesetzt.
Im
Naturschutzgebiet Lüneburger Heide ergänzt seit 2004 eine Herde von 30
Dülmener Pferden die traditionelle Hütehaltung mit Grauen gehörnten
Heidschnucken (Stiftung Naturschutzpark Lüneburger Heide,
Landschaftspflegehof Tütsberg). In der Esterauniederung in Ostniedersachsen wurde
2010 mit der Haltung und Zucht von Dülmenern begonnen, um die
Feuchtgrünlandniederungen der Esterau beweiden zu können (NABU Uelzen in
Kooperation mit dem Martinshof e.V. Wrestedt).
In
Nordrhein-Westfalen beweiden Dülmener Pferde Kalkmagerasen auf einem
ehemaligen militärischen Übungsgelände im vorderen Sauerland, dem
Gelände der Landesgartenschau in Hemer (Naturschutzzentrum Märkischer
Kreis e.V.).
In
Nordhessen im Raum Frankenberg weidet eine kleinere Herde Dülmener Pferde
auf extensiven Naturschutzflächen.
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Foto: Opora |
Foto: Faust |
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Kontakt:
GEH-Geschäftsstelle,
Walburger Str.2, 37213 Witzenhausen, Tel: 05542-1864, Fax: 05542-72560,
Email: info(at)g-e-h.de
Interessengemeinschaft des Dülmener Wildpferdes Deutschland e.V.,
Detlev Bleser, www.ig-duelmener.de, Email: info(at)ig-duelmener.de
Stiftung Naturschutzpark Lüneburger Heide,
Landschaftspflegehof Tütsberg, Dr. Heike Brenken,
www.verein-naturschutzpark.de, Email: info(at)verein-naturschutzpark.de,
www.stiftung-naturschutzpark.de
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